Wer an Brasilien denkt, hat oft Bilder von üppiger, tropischer Natur im Kopf. Nach einer faszinierenden Reise durch Mittelamerika, bei der Orchideen an fast jeder Ecke zu finden waren, ging ich mit einer ähnlichen Erwartungshaltung auf unser nächstes großes Abenteuer: eine mehrwöchige Tour durch Brasilien. Ich rechnete mit einer Fülle an Blüten, doch die Realität sollte mich eines Besseren belehren. Es war eine Reise, die zeigte, dass die botanischen Schätze dieses riesigen Landes sich nicht immer auf den ersten Blick offenbaren.
Erster Stopp: Ilha Bela – Wo sind die Blüten?
Unsere Reise begann in der Metropole São Paulo, von wo aus wir ohne Umwege den Bus zur Küsteninsel Ilha Bela nahmen. Mit dem Wissen, dass Brasilien botanisch mindestens genauso spannend ist wie Mittelamerika, malte ich mir die wilden Orchideen an den Bäumen des Dschungels aus. Doch die Überraschung war groß: Orchideen waren kaum zu finden.
Während unserer knappen Woche auf der Insel wurde schnell klar, dass der Fokus der Einheimischen stark auf Nutzpflanzen liegt. In den Gärten und auf den Feldern dominierten Pflanzen, die einen Ertrag versprechen. Orchideen schienen hier eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Selbst bei unseren Wanderungen durch die dichten Wälder der Insel blieben die erhofften Entdeckungen aus.
Rio de Janeiro: Von Supermarkt-Hybriden zum Orchideen-Paradies
Nach Ilha Bela führte uns unser Weg pünktlich zu Silvester nach Rio de Janeiro. Und hier, mitten im Trubel der Großstadt, fanden wir sie endlich – die „wilden“ Orchideen. Der Anblick war jedoch kurios: An die Stämme der Stadtbäume waren ausrangierte Supermarkt-Phalaenopsis gebunden, teilweise noch in ihren originalen Kunststofftöpfen. Eine pragmatische Art der Stadtbegrünung, aber weit entfernt von der unberührten Natur, die ich mir erhofft hatte.
Auch auf dem berühmten Zuckerhut waren zwar mehr Orchideen zu sehen, doch auch hier handelte es sich überwiegend um Hybriden. Das wahre Highlight wartete am letzten Tag unseres Aufenthalts in Rio auf uns: der Botanische Garten. Das dortige Orchideenhaus war ein absoluter Traum und sollte sich als der artenreichste Ort unserer gesamten Reise herausstellen. Eine überwältigende Fülle an verschiedenen Gattungen und Arten, wunderschön präsentiert – ein Muss für jeden Orchideenliebhaber!
Pantanal und Iguazú-Wasserfälle: Eine Frage des Timings?
Von der pulsierenden Stadt ging es weiter ins Pantanal, eine Region, die weltberühmt für ihren Tierreichtum ist. Während wir unzählige Vögel, Kaimane und Capybaras bestaunen konnten, blieben die Orchideen erneut Mangelware. Vielleicht waren wir einfach zur falschen Jahreszeit hier? Ohne ihre oft auffällige Blütenpracht sind viele Orchideenarten für das ungeübte Auge im dichten Blattwerk kaum auszumachen.
Ein anderes Bild bot sich uns an den gewaltigen Iguazú-Wasserfällen. In der feuchten Gischt der Fälle schien die Natur deutlich orchideenfreundlicher zu sein. Hier fielen mir wesentlich mehr Pflanzen auf, die sich an die Äste der Bäume klammerten. Geblüht haben sie jedoch nicht, oder ihre Blüten waren so klein und unscheinbar, dass ich sie schlicht übersehen habe. Dennoch war es ein hoffnungsvoller Anblick, der zeigte, welches Potenzial in dieser Region steckt.
Curitiba und Peruíbe: Botanische Gärten und authentische Einblicke
Die Reise führte uns weiter nach Curitiba, eine Stadt, die für ihren wunderschön angelegten botanischen Garten bekannt ist. Doch auch hier bestätigte sich der Trend: Nutzpflanzen dominierten die Ausstellung, während Orchideen eher eine Nebenrolle spielten.
Unsere letzte Station, bevor es zurück nach Deutschland ging, war Peruíbe – ein Ort, der so gar nicht auf den typischen Touristenrouten liegt. „Warum kommt ihr ausgerechnet hierher?“, wurden wir von den Einheimischen erstaunt gefragt. Doch wir fanden es gar nicht schlimm. Ein großer Strand, ein authentisches Stadtleben und die Möglichkeit für Dschungelwanderungen boten einen schönen Abschluss.
Fazit: Eine andere Art von Schatzsuche
Bin ich nach über drei Wochen Brasilien enttäuscht? Keineswegs. Sicher, ich hatte mir mehr Orchideen erhofft und war vielleicht durch die Erfahrungen aus Mittelamerika etwas voreingenommen. Man muss aber auch bedenken, dass wir uns nicht tief in den Amazonas-Regenwald vorgewagt haben – ein Abenteuer, für das drei Wochen ohnehin zu kurz wären.
Brasilien ist ein unendlich weites Land, und ein einzelnes Leben reicht vermutlich nicht aus, um es vollständig zu erkunden. Diese Reise war nur ein kleiner Einblick in das riesige Potenzial des Landes. Die Suche nach Orchideen war vielleicht nicht so erfolgreich wie erhofft, aber sie hat uns an unglaubliche Orte geführt und uns gezeigt, dass sich die wahren Schätze manchmal erst auf den zweiten Blick oder auf einer der vielen noch kommenden Reisen offenbaren. Brasilien, wir kommen wieder!